Holzschnitzerei in der Viechtau: Unterschied zwischen den Versionen
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''Dieser Text stammt aus einem in Kurrent geschriebenen, aber nicht veröffentlichten, Manuskript. Daten über den Autor und eine ungefähre Zeitangabe (um 1860?) fehlen. Bei der Umschrift wurde die alte Rechtschreibung der neuen wegen leichterer Lesbarkeit angeglichen.'' | ''Dieser Text stammt aus einem in Kurrent geschriebenen, aber nicht veröffentlichten, Manuskript. Daten über den Autor und eine ungefähre Zeitangabe (um 1860?) fehlen. Bei der Umschrift wurde die alte Rechtschreibung der neuen wegen leichterer Lesbarkeit angeglichen.'' | ||
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Aktuelle Version vom 30. Dezember 2014, 15:56 Uhr
Holzschnitzerei in der Fichtau [sic!] im Aurach-Tale von Moritz Schwarz
In diesem abgeschlossenen Tale hat sich eine eigentümliche Holzindustrie erhalten, die sich vor anderen ähnlichen durch die außerordentliche Unbeholfenheit ihrer Leistungen, noch mehr aber durch den unglaublich kleinen Gewinn, den sie abwirft, auszeichnet.
Da die Bewohner der Fichtau lauter Artikel produzieren, die nicht im entferntesten an die geschickten und oft beinahe künstlerischen Leistungen der Berchtesgadener, Hallstätter usw. erinnern, ist ihnen durch Maschinen eine Konkurrenz geboten worden, die die Preise ihrer Erzeugnisse in einer Weise gedrückt hat, dass ihnen ihre einzige Erwerbsquelle schon fast verschlossen wurde. Als Haupterzeugnis dieser Hausindustrie dürften Löffel aus Buchenholz angesehen werden. Sie werden mit einem eigenen Beile (Fig. 22), dessen 15 cm lange Schneide nur nach hinten zu in Form eines Viertelkreises geschärft ist, auf kleinen Holzstöcken aus dem Holz gehauen (Fig. 25) und zwar so, dass der Arbeiter gegen sich her arbeitend das Holz am Rand des Stockes anstützt und mit der Hand tiefer als die Handfläche arbeitet.
Zum Fertigmachen der Löffel dienen nach der Seite gekrümmte Messer (Fig. 23a und b) mit nach aufwärts gebogener Schneide, mit welchem gegen die linke Hand des Arbeiters geschnitten wird. Die Gefährlichkeit dieses Verfahrens beweisen die zahllosen Narben an den Händen dieser Schnitzer. Die Stiele werden mit geraden Messern fertig gemacht (Fig. 24). Der größere Teil der Löffel wird mit weiß und roten Ornamenten, Blumen, Heiligenbildern auf schwarzem Grunde bemalt und lackiert, wodurch sie den Charakter der südslawischen Hausindustrieerzeugnisse annehmen. Der größte Teil derselben geht nach Serbien und Bosnien, aber durch die Hände so vieler Zwischenhändler, dass der Preis eines Dtz. (Dutzend, d.s. 12 Stück, Anm.) solcher Löffel auf 4 kr. (Kreuzer, Anm.) gedrückt wurde. Da nun 1 Mann im Tage höchstens 4 – 5 Dtz. fertigen kann, ist sein Verdienst außerordentlich gering; überdies muss er um diesen Preis noch Holz kaufen, welches die Leute von der Staatsforstverwaltung zum Brennholzpreise mit geringem Aufschlage erhalten. Das Bemalen besorgen die Kinder und wird dadurch der Preis per Dtz. um 2 kr. erhöht, wovon jedoch Farbe und Lack bestritten werden müssen. Bezüglich der Zeichnungen sind rote Schachteln interessant, von denen manche ausgesprochen südslawische Ornamente aufweisen. Die Leute erklären, dass sie diese eine Schachtel nachbilden, die sie als Musterstück erhalten haben. Es scheint also ein Musterstück aus dem Orient, durch einen industriellen Händler heraufgebracht worden zu sein, um sich eine dorthin absetzbare Ware zu schaffen. Der bedeutendste Händler (Besendorfer [sic!]) bezeichnete die mit besagtem Muster bemalten als nach Bosnien bestimmt. Der Preis für die Lage (6 ineinander passende Stücke) ist 36 kr.
Bemerkenswert ist ferner die Erzeugung buchenhölzerner Schüsseln. Der Arbeiter hat dazu auf seiner Drehbank einen knieförmig gebogenen Reitstock, dessen Gestalt und Lage die beigegebene Zeichnung veranschaulicht. Zum Aushöhlen der Schüssel, die im Futter eingespannt wird, bedient er sich eines eigenen löffelförmigen Eisens (Fig. 26 - 28). Der Mann kann auf diese Art täglich 1 Dtz. erzeugen, wofür er 35 kr. für mit Fehlern behaftete, 50 kr. für tadellose erhält. Dabei kommt ihm aber das Holz teurer als anderen, da er sich nicht mit Brennholzscheiten behelfen kann.
Bei Erzeugung der geschnitzten Tiere kennen die Leute den Vorteil des Drechselns und Herausspaltens nicht, sondern stemmen dieselben aus Brettern heraus. Auf diese Art erzeugen einige derselben Reiter auf rot und weiß bemalten Pferden usf. Den geringsten Verdienst hat jedenfalls jene Frau, die sich mit der Herstellung hölzerner Lämmer befasst. Für 1 Dtz. erhält die Arbeiterin 9 kr., kann aber nicht mehr als 10 Stück per Tag erzeugen; nimmt man dazu, dass diese Lämmer weiß bestrichen werden müssen (und am Kopf einen höchst unnötigen grünen Schopf erhalten). Die Auslagen für Holz, so verdient sich die damit beschäftigte Frau nach ihren eigenen Aussagen 4 kr. im Tage. Warum sie nicht lieber Kluppen erzeugt, die 65 Dtz. zu 1 fl. (Gulden, Anm.) bezahlt werden, und wovon sie im Tage 10 Dtz. erzeugen kann und deren Erzeugung ganz ohne besondere Schwierigkeiten erlernt werden kann, zeigt von einem ganz unglaublichen Konservatismus.
Nebenbei wird noch eine Zahl anderer Gegenstände, als Puppen (Fig. 29a und 29b), hölzerne Trompeten, wovon 1 Mann, Frau und 2 Kinder 15 – 16 Dtz. im Tage erzeugen, die mit 6 kr. bezahlt werden. Der Fleiß und die zähe Ausdauer, mit der diese Leute ihre Schnitzerei verrichten, verdienen wohl auf bessere Wege geleitet zu werden.
Dieser Text stammt aus einem in Kurrent geschriebenen, aber nicht veröffentlichten, Manuskript. Daten über den Autor und eine ungefähre Zeitangabe (um 1860?) fehlen. Bei der Umschrift wurde die alte Rechtschreibung der neuen wegen leichterer Lesbarkeit angeglichen.