Die heili Nåcht
Erzählung einer alten Bäuerin
P. Markus Holter (1812-1874)
Gesprochene Version: Media:De_heili_Nacht.mp3
Es is do, wånn ma’s recht betråcht’, a schene Såch um die heili Nåcht! Draußt pfeift da Wind, ålls1) dick fållt da Schnee, wia’s hålt da Winter treibt, ma woaß voneh2). Gånz ånders is’ in der wårma Stubn, schaut’s enk a bissl um. D’ Kinder hupfn und springan und lärman und singan und hellrot vor Freud die Wangerl glosn, es is wia a Gårten von lauter Rosn. Wia kunnt’s denn a nur ånders sein? Kimmt denn net ’s Christkindl und legt oan wås ein?
A Kind bin i ah gwen, ’s is freili scho a schöne Zeit, Åber es steht nix auf über a echte Kinderfreud. Und wånn Weihnåchten kimmt, åft wir(d) i gschwind auf an etla Stund a kernfrisch’s Kind. Oa heili Nacht åber, wånn i stoanålt wir(d), oane vergiss i mein Lebta nia. Dås is gwen a rare heili Nåcht. ’s Christkindl håt uns wås gnumma, stått wås bråcht! Då schaut’s! Hört’s mir a bissl zua, bis zu da Mettn håbn ma jå noh Zeit gnua:
Da Våda is mit’n Braun’3) in d’ Stådt eini gfåhrn, a so is er’s gwöhnt gwen seit vielen Jåhrn. Und wia er fort is, håbn ma graunzt und bitt: „Våda, geh bring uns dert4) ah wås mit!“ Da Våda håt gschmutzt5) und uns håt zimt6), dass er gwiss von da Stådt net laare hoamkimmt. Auf d’ Nåcht håbn mar in Rosenkrånz bet’, i hån mi dazua völli a wengal gnöt’7), denn mir Kinda håbn går so hårt auf unsan liabn Vådan gwårt’. Då fångt da Hund draußt z’ belln å(n), mir ålle zu da Tür und i vorån. I hätt ma z’wetten traut gånz gwiss, dass’ sunst neamd åls da Våda is. Und er is gwen, o mei, die Freud! Mir san gsprunga wia net gscheit. Er geht in d’ Stubm, da Huat und Pelz schneeweiß und da Bårt und d’ Håår wia lauter Eis. „Ha, Våda“, sågt d’ Muada, „heint kimmst hübsch spåt; du håst jå dert koa Unglück ghåt?“ Då hebt da Våda å(n) zun redn: „Jå, Weib, i bin hålt hübsch lång wo gwen. Und hört’s amål, Kinda, dås is koa Gspoaß, heint håb i nix!“ - Mir wird kålt und hoaß. „Geh, Våda! Du tuast und netta zenn’!“8) Mei Brüadal hebt schier ån zun flehn’. „Hat’s narrisch“, sågt da Våda, „wås kånn denn i dafür, wånn’s Christkindl selber kimmt und mir enga Såch wegnimmt?“ „s’ Christkindl?“ – Mir schaun uns großmächti å(n). „Jå“, sågt da Våda, „dås is damit auf und dåvo(n). Und damit’s ös glaubts gånz gwiss, will i enk vazöhln, wia die Gschicht gånga is.
Ös wisst’s, wia ma außi kimmt fürn Wåld, wo da Wind so å(n)måg, da grimmig kålt, då steht in da Mitt’n vor an kloan Garterl in Pedan sei(n) Hüttn. San er und sie går rechtschåffne Leut, ma hört ’s gånze Jåhr bei eahn von koan Streit, sie schindn und plågn si hålb z’ Tod und gwingan für d’ Kinder kam ’s tägli Brot. I fåhr gråd bei sein Häuserl vür, då steht da Peda vor seiner Tür, åba gånz trauri und niedergschlågn. Wårt, denk i ma, den muass i frågn: ‚Guatn Åbnd, Peda, wia geht’s da denn?’ Stått z’ redn hebt er ån zun flenn. ‚Mein Herr’, sågt er z’lest, ‚mit mir is aus, koan Bissn Brot in gånzn Haus und dazua mei Weib, dås krånk, zun Sterbn, stirbt’s, müassn d’ Kinder und i verderbn. Dås is a traurige heilige Nåcht. Da Geistli håt erst scho in Herrgott9) bråcht, leicht denn ’s Christkindl a nu kimmt und en Kindern eah Muada wegnimmt? Wås fång i åft mit’n Schüberl10) ån? Mit mir is aus, i bin a gschlågna Månn.’ ‚Hau’, såg i, ‚Peda, wås fållt da denn ei(n)? Ma muass nöt so verzågt glei sei(n). A christlicher Månn bist ålleweil gwest, unsa Herrgott hilft, dås glaub nur fest und z’letzt wird ålles wieder recht, håt’s ausgschaut z’erst a nu so schlecht. I muass deacht11) a bissl einischaun.’ „Drauf steig i å(b) und häng in Braun ån Zaun. Wås håb i gsegn drinn, du liaber Gott! Nix åls Elend und bittere Not. Die Kinder ohne Gwånd, im Bett ’s krånk Weib, mir håt si’s Herz umdraht im Leib. I schau’s mit nåssn Augn å(n), weil i den Leutln går net helfn (kånn).
Då gibt ma’s Christkindl an’ Gedånka ei(n), i glaub, es wird net ånders sei(n): I hån jå in Schlittn draußt ållerhånd, neue Schuach und a wårms Wintergwånd und, dås hätt i båld vergessn, die besten Såchan ah zum Essn. Und wånn mi(ch) meine Kinder frågn, hån i ma denkt, so såg i: I hån alls en Christkindl gschenkt. Denn, wia’s scho dahoam håbn glernt Und wia’s in da Schul drinn hörnt12), so sågt Christus: ‚Was ihr tut den Kleinen, das seh ich an, als wäre es mir selbst getan.’ So werden’s ah damit z’frieden sei(n), und is’s net, nå, so kauf i wås ånders ei(n). Wånn’s åba gsegn hätts, Kinder, die Freud und dås Dånka von die guatn Leut, ös valångats gwiss nix weita mehr und sågats: Gsegn eahn’s Gott, der Herr! Schauts, a so is’ g’wen und drum hån i nix bråcht. Es is wohl so die erste heili Nåcht!“
Da Våda is stad gwen, d’Augn san übergånga uns ålln, um an Håls san ma eahm åft ålle gfålln und ghålst und druckt håbn ma’n leicht a Viertelstund und dånkt für die Gåb aus Herzensgrund. Und gschlåfn håbn ma ålle die Nåcht so guat – Es muass do ’s Wohltoan sei(n), wås oan går so wohl tuat. Und die heili Nåcht, wånn i stoanålt wia, die vergiss i mein Lebtåg nia.
1) ganz, 2) seit jeher, 3) Pferdename, 4) doch, 5) geschmunzelt, gelächelt, 6) mih zimt = mir scheint, 7) genötigt, 8) necken, zum Narren halten, 9) Sakrament der Krankensalbung, 10) Kinderschar, 11) dennoch, 12) hören.
Markus Holter wurde 1812 in Wels geboren, studierte in Kremsmünster, trat in das Stift ein und wurde 1836 zum Priester geweiht. Er wirkte bis 1846 als Seelsorger in ländlichen Pfarreien und dann bis zu seinem Tod im Jahre 1874 als Professor am Stiftsgymnasium. Holter hat sich als Jugendschriftsteller in der Schriftsprache betätigt, daneben aber auch einzelne Mundartgedichte geschrieben, die aber leider nie als Gesamtausgabe erschienen sind. Nur „Die heili Nåcht“ wurde vom Stelzhamerbund veröffentlicht und mit Recht zu einem der bekanntesten oberösterreichischen Mundartgedichte. (Commenda Hans: Meister der Mundart. Schärding/Wien 1948)